Gemeinschaft erfordert Zugeständnisse

Das Leben in der Gemeinschaft verlangt jedem Zugeständnisse ab, in der Familie und dem Freundeskreis ebenso wie in der Gemeinde, der Stadt oder dem Land bzw. dem Planeten. Ein Verhalten ist dann asozial, wenn ich mit der Befriedigung meiner eigenen Bedürfnisse das Leben anderer negativ beeinflusse und auch wenn die allermeisten Menschen sich anderen gegenüber neutral oder gar positiv verhalten, ein kleiner Teil von schätzungsweise 5-10 Prozent verhält sich asozial und prägt damit nicht nur den Eindruck, sondern eröffnet auch eine Spirale, die immer asozialer wird. Ich bin gerade auf Mallorca und erlebe hier gleich vielfach deutliche Beispiele, die uns natürlich auch zu Hause genauso betreffen.

Die Mehrheit hält sich an Regeln

Die allermeisten Gäste halten sich daran, meinen Nachbarn interessiert die Tatsache des Nichtraucherhotels offenbar nicht: Er qualmt von früh bis spät auf seinem Balkon. Seine eigenen Interessen sind ihm wichtiger als die Regeln des Miteinanders. Die spanische Regierung hat es übrigens nicht grundlos in jedem Hotel verboten: Das Ausatmen des Qualms ist besonders gut geeignet für die Verteilung des Corona-Virus und das Rauchen auf dem Balkon damit eine absolute Verantwortungslosigkeit allen anderen gegenüber. Zudem kann ich, als sein Nachbar, meinen Balkon kaum noch betreten und schon das Öffnen der Balkontür führt dazu, dass mein Zimmer voller Rauchgestank ist. Ich bin sogar gezwungen bei geschlossenem Fenster zu schlafen. Mit seinem rücksichtslosen Verhalten vermiest er also meiner Frau und mir den ansonsten wunderbaren Aufenthalt. Das ist asozial.

Die meisten Gastronomen halten sich hier vorbildlich an die Vorgaben der Regierung. Einige wenige aber haben ihre eigenen Interessen vor die des Gemeinwohls gestellt und lassen dem bunten Treiben nahezu freien Lauf. Es sind nicht die 95 Prozent der geordneten Abläufe, die als Bilder um die Welt gehen, sondern Ausnahmen wie diese, die uns denken lassen, ganz Deutschland ist in den Ferien am Ballermann und feiert eine einzige Party auf Mallorca. Natürlich gehört auch der ignorante Gast in gleichem Maße dazu.

Eine recht prominente Gastronomin ist mir bekannt, die bereits im Winter zwei dicke Strafen bekam, doch offenbar die eigenen Umsätze deutlich interessanter scheinen. Sogar Korruption spielt verschiedenerorts eine Rolle, wird vielfach vermutet. Dieses Verhalten aller Beteiligten ist in höchstem Maße asozial, bedenkt man die Auswirkungen für alle anderen. Das Beispiel macht Schule und hat „Vorbildcharakter“ für alle anderen. „Warum sollte ich mich an die Regeln halten, wenn mein Nachbar es auch nicht tut?!“ sagt sich der nächste nicht ganz zu Unrecht. Insgesamt ist es nicht nur den Erkrankenden und ihren Ärzten und Pflegern gegenüber verantwortungslos, sondern auch allen anderen. Denn letztlich werden hier die Zahlen hochgetrieben, die die nächsten Maßnahmen erforderlich machen. Letztlich ist genau dieses Verhalten die Ursache dafür, dass ein ganzes Land und seine Regierung sich nicht um ihre eigentlichen Aufgaben kümmern kann, sondern sich um weitere Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung scheren muss.

Die Wertschätzung und Rücksichtnahme

Doch es geht nicht nur um Corona, sondern auch ganz alltägliche Dinge. Die meisten Gäste verhalten sich nicht besonders höflich dem Personal gegenüber, aber zumindest neutral. Doch einige wenige sind wirklich unverschämt und verhalten sich absolut asozial. Sie behandeln diejenigen wie ihre menschlich minderwertigen Diener, die ihnen einen tollen Urlaub erst ermöglichen.

Am Strand treffen sich, inmitten der Ruhe und Erholung suchenden Familien mit ihren Kindern, einige wenige erwachsene Menschen, zum stundenlangen Saufen und Singen. Man schämt sich nicht nur fremd, wenn man es erlebt, sondern ist schlicht und einfach von deren rücksichtslosem Verhalten gestört. Ein paar wenige, die mit ihrem Verhalten offenbar Spaß verbinden, beeinträchtigen massiv die Lebensqualität der gesamten Gemeinschaft.

Doch schon die Ignoranz der Bitte um ordentliche Kleidung beim Abendessen ist ein Schritt ins Asoziale. Nicht nur denjenigen gegenüber, die diesen teils nahezu unzumutbaren Anblick ertragen müssen, sondern auch den Eltern gegenüber, die ihren Kindern vielleicht die Einhaltung von gemeinsamen Regeln als wichtigen Wert mit auf den Weg geben wollen. Es ist bei dieser Betrachtung nicht besonders verwunderlich, dass von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer weniger Benehmen in der Öffentlichkeit stattfindet. Heute scheint es bereits fast zum guten Ton zu gehören, mit der Bierflasche auf der Straße rumzurennen, doch jeder kleine dieser Schritte treibt die Verwahrlosung nahezu unmerklich weiter voran.

Die Ausnahmen prägen

In Erinnerung bleiben genau die Ausnahmen und schaffen damit den Boden für ein Miteinander, welches nicht gerade von Herzlichkeit, Wertschätzung und Zuneigung geprägt ist, sondern das Gegenteil bewirkt. Wir müssen das bedenken, wenn wir nicht grenzenlos asozial werden wollen. Denn man könnte den Eindruck gewinnen, dass das Ausleben persönlichen „Freiheiten“ des Einzelnen überhand genommen hat. Weiter gedacht, kann ein ordentliches Miteinander in einer Gemeinschaft damit langfristig nicht gewährleistet werden. Wir sollten also nicht nur den IST-Zustand mit offenen Augen betrachten, sondern uns auch die Frage nach dem SOLL-Zustand stellen.

Verantwortung

Der Weg dorthin ist immer der Gleiche: Wir müssen Verantwortung übernehmen. Wir müssen die Verantwortung für unser Verhalten übernehmen, auch und besonders in der Hinsicht auf die Auswirkungen für andere. Wir müssen Verantwortung übernehmen, wenn wir ein glückliches Miteinander (er)leben möchten.