Achtung: Verantwortung

 

Lieber Armin Laschet,

Sie sind für mich der „Auf Raten“-Politiker.

Mit Ihnen verbindet man „immer auf den letzten Drücker“: NRW-Ministerpräsident wurden Sie mit einem Sitz Mehrheit – nach einer Kopf-an-Kopf-Aufholjagd gegen Hannelore Kraft. Spitzenkandidat der Union für die Bundestagswahl wurden Sie so spät wie kein anderer Kandidat. Und selbst zu Verhandlungen sagt man Ihnen nach, immer auf den letzten Drücker zu erscheinen.

Nun hat es bei der Bundestagswahl nicht gereicht mit dem „letzten Drücker“. Sie waren genau 1,6 Prozentpunkte zu spät. Das ist wirklich nicht viel und hat wohl deshalb dazu geführt, dass Sie erst am Tag nach der Wahl so richtig wahrhaben wollten, dass Sie sie verloren haben. Aber lassen wir die Kirche im Dorf, das hat mit Gerhard Schröder schon mal jemand geschafft. Das ist Testosteron, Adrenalin, das ist Wettkampf, so ein Wahlkampf, dass man erstmal drüber schlafen muss.

Jetzt haben Sie auch Ihren Rückzug von der Parteispitze nur „auf Raten“ angekündigt. Das macht es so schwer Sie zu feiern, denn echte Führungskräfte müssen klarer und entschiedener wirken, stärker. Echte Leader müssen ein ganzes Land hinter sich bringen, sollten klarer entscheiden und stärker sein. Doch schwach können Sie ganz gewiss nicht zu sein, bei all dem, was Sie ausgehalten haben. Und Verantwortung haben Sie. Sie sind kein schlechter Kerl. Vor allem, wenn man Sie mit dem Egoismus von Markus Söder vergleicht, der in den vergangenen Tagen nicht nur die Jamaika-Option beerdigt, sondern auch seine Kanzleruntauglichkeit besiegelt hat. Oder wenn man an einen Bundeskanzler Olaf Scholz denkt, der ja nur so stark wirkt, weil Sie im Wahlkampf so schwach erschienen.

Führungsstärke muss man leben, aber auch zeigen, und ein stückweit sogar inszenieren. Denken Sie an die Plakate von Scholz: „Kanzler für Deutschland.“, „Scholz packt das an“. Oder an Christian Lindner, der nachts am Schreibtisch noch Akten für Deutschland liest und mal nicht im Shirt auf dem Smartphone daddelt. Und obwohl ich manchen Ihrer Auftritte bedenklich betrachte, finde ich es trotz aller Verfehlungen und Unklarheiten sympathisch, dass Inszenierung offenbar nie Ihr erster Gedanke ist.

Und wer weiß, wenn die Ampel scheitern sollte… Stehen dann tatsächlich Merz oder Spahn für Erneuerung in der CDU? Wird man nicht auch Carsten Linnemann nachsagen, er habe zu wenig Charisma? Wenn wieder Verantwortung gefragt ist, könnte jemand punkten, der integrieren statt intrigieren kann. Der vielleicht bis dahin gelernt hat seine Verantwortung auch zu zeigen und Stärke zu demonstrieren. Vielleicht gibt es dann doch noch einen Kanzler Laschet – „auf Raten“…

Danke für Ihre „Mission Verantwortung“,

Ihr Bernd Kiesewetter